Reflexionsergebnisse aus den letzten Berichten der Freiwilligendienste
Mein Freiwilligendienst hat mir auf verschiedenen Ebenen neue Erkenntnisse und Erfahrungen gebracht. Ich habe gelernt, mich in neuen Situationen zurechtzufinden und anzupassen. Neue Freundschaften und Bekanntschaften haben mein Leben bereichert. Zudem habe ich viel über das politische System des Landes gelernt und erkannt, wie unterschiedlich Probleme angegangen werden können. Diese Erfahrungen haben meinen Blick auf die Welt erweitert und mir neue Perspektiven eröffnet.
Meine Arbeit hier gehe ich mit Optimismus an, was mir dabei hilft, auch schwierige Situationen zu meistern und positive Ergebnisse zu erzielen.
Durch meinen Freiwilligendienst beginne ich langsam zu verstehen, wie tief die Segregation im Land verwurzelt ist. Jede „ethnische Gruppe“ erhält eine andere Version der Geschichte von Bosnien-Herzegowina und glaubt fest daran, dass diese wahr ist. Da alle in verschiedenen Realitäten leben, kümmert sich kaum jemand darum, was tatsächlich passiert ist. Diese Erkenntnis war schockierend für mich, besonders die Zensur und die unterschiedlichen Versionen der Geschichte sowie der Hass, der von Generation zu Generation weitergegeben wird.
In meiner Einsatzstelle sehe ich mich als jemand, der eine außenstehende Perspektive bieten kann. Dies ermöglicht den lokalen Jugendlichen, auch andere Blickpunkte zu sehen und zu verstehen, dass es verschiedene Wege gibt, die Welt zu betrachten.
Mein Hauptziel in der Einsatzstelle ist es, den Menschen zu zeigen, dass verschiedene Glaubensrichtungen und ethnische Hintergründe kein Hindernis für ein friedliches Miteinander sein müssen. Ich möchte vermitteln, dass es möglich ist, in Frieden zusammenzuleben, wenn man bereit ist, aufeinander zuzugehen und voneinander zu lernen.
Insgesamt war mein Freiwilligendienst in Jajce eine bereichernde und augenöffnende Erfahrung. Ich habe viel über mich selbst, andere Kulturen und die komplexen politischen Strukturen gelernt. Diese Erkenntnisse werde ich sicherlich auch in Zukunft nutzen und weitergeben können.
Eva, Freiwillige in Jajce, Bosnien und Herzegowina, 2023-24
Meine bisherige Arbeit ordne ich in den entwicklungspolitischen Kontext dadurch ein, dass ich geholfen habe einen besonderen Ort zu erschaffen. Im Falle einer politischen Eskalation würde dieser natürlich sofort zerfallen, aber das ist nicht der Sinn dieses Ortes. Es geht darum ein „safe space“ für Jugendliche zu schaffen, in dem sie die Möglichkeit haben, sich frei auszutauschen, ihre Fähigkeiten, Meinungen, Einstellungen und sich selbst zu entwickeln.
Und ich bin ehrlich gesagt stolz darauf, diesem Prozess der Bildung eines „safe spaces“ beizuwohnen und mitzuwirken.
Simon, Freiwilliger in Brčko, Bosnien und Herzegowina, 2023-24
Das größte aktuelle politische Thema, das ich unmittelbar erfahren habe, war definitiv die Angst vor einem erneuten Krieg um die Osterzeit. Als die UN beschlossen, dass es einen internationalen Tag in Erinnerung für das Massaker in Srebrenica geben soll, waren die nationalistischen Politiker der Republika Srpska und Serbiens sehr schnell dabei ziemlich unverhohlen mit Krieg zu drohen. Ein lokaler Freiwilliger muslimischen Glaubens musste deswegen das Osterwochenende zurück in das Dorf fahren, in dem seine Eltern leben, weil diese sehr große Angst hatten, dass gerade Brčko gefährdet wäre. Aufgrund der Lage der Stadt zwischen den beiden Teilen der Republika Srpska ist diese Befürchtung für mich gut nachvollziehbar, vor allem wenn man bedenkt, dass die Eltern den Krieg in den 90ern miterlebt haben. Am Ende ist nichts passiert und die Lage hat sich mittlerweile beruhigt, aber es ist für die Zukunft des Landes nicht sehr vielversprechend, wenn nationalistische Politiker immer noch die Macht haben die verschiedenen Bevölkerungsgruppen so in Angst und Schrecken zu versetzen.
Die jungen Menschen, mit denen ich bisher gesprochen habe, sind sich der politischen und sozialen Probleme auch sehr bewusst, sind aber so frustriert, dass sie nicht an Veränderung glauben. Die Wahlen sind laut ihnen eh manipuliert. Die Idee selbst politisch aktiv zu werden und proaktiv an politischer und nicht nur an sozialer Veränderung zu arbeiten liegt ihnen aber auch fern. Sie wollen entweder darauf hoffen, dass sich in Zukunft etwas ändert und neue, junge Menschen die Politik übernehmen, oder auswandern.
Joni, Freiwilliger in Brčko, Bosnien und Herzegowina, 2023-24
Auch auf der Arbeit der NGO habe ich festgestellt, wie wichtig entwicklungspolitische Arbeit ist. In unserem neuen Projekt WSDP (Whole School Developpment Program) habe ich angefangen Lehrer, über die Gefahren und Konsequenzen von Alkohol aufzuklären. Die Idee hat mich sehr überzeugt, nicht nur Schüler über dieses Thema zu informieren, sondern auch Lehrer, da diese nicht nur eine Generation und an einem Tag den Schülern das Thema nahebringen können, sondern es immer wieder einbauen und verdeutlichen sowie in Problemsituationen helfen können.
Das Englisch der Lehrer ist teilweise schlechter als das der eigenen Schüler, sodass eine aktive Mitarbeit im Training nur sehr eingeschränkt möglich war. Zusätzlich hat es ihnen, meines Empfindes nach, nicht zugesagt in die Rolle eines „Lernenden“ zu schlüpfen und sich etwas von einer 18-jährigen Deutschen erklären zu lassen. Was ich persönlich auch teilweise sehr nachvollziehen kann. Zum Schluss des Trainings hatte ich meistens das Gefühl, doch einige Lehrer erreicht zu haben, doch das teilweise über mich Lachen, wenn ich faktisch belegte Dinge erkläre, die sie für falsch halten, hat mich schon manchmal etwas unsicher gemacht. Auch wenn ich weiß, dass bestimmte Dinge sehr wichtig sind zu korrigieren und zu erklären, wie beispielsweise den Mythos, dass Menschen Alkohol trinken müssen, um gesund zu bleiben. Weiterhin bin ich der festen Überzeugung, dass die Organisation durch lokale Menschen unterstützt werden sollte, was die Sprachbarriere auch in diesem Projekt nochmal deutlich macht.
Jette, Freiwillige in Bugarama, Rwanda, 2023-24