Bericht zum Partnerbesuch im Rahmen des Weltwärts- Jubiläums vom 08. bis 17.09.18


Teilnehmende: Ladislas Yassin Nkundabanyanga RYCPO, Franziska Ilse-Shams (FK Halle), Irina Komendrovskaya (FK Halle), Nathalie Meier (FSJ – FK Halle), Herr Schwarze (Clara Zetkin Kinderheim), Herr Mose (Humanistischer Regionalverband Halle), Elma Salihagic (COD), Milos Popic (Svitac), drei aktuelle Freiwillige aus Ruanda und eine ehemalige Freiwillige aus Deutschland

Im Rahmen des Weltwärts-Jubiläums im September 2018 fand ein Partnerbesuch in Halle und Berlin zwischen dem Friedenskreis Halle e.V. und der ruandischen Partnerorganisation „Rwanda Youth Clubs for Peace Organization“ sowie dem COD Jajce (Bosnien-Herzegowina) und Svitac Brcko (Bosnien-Herzegowina) statt.

Mit dem COD Jajce und Svitac pflegt der Friedenskreis Halle e.V. schon langjährige Partnerschaften. Wir nehmen Freiwillige von beiden Organisationen in Halle als Weltwärts-Freiwillige auf, ebenso entsenden wir Freiwillige nach Bosnien-Herzegowina. Aktuell sind zwei deutsche Freiwillige in Jajce und ein deutscher Freiwilliger in Brcko, eine weitere wird im Oktober zu Svitac gehen. Hingegen ist die Partnerschaft mit dem ruandischen Partner Rwanda Youth Clubs for Peace Organization (RYCPO) noch sehr jung. Im Rahmen eines Partnerbesuches 2016 wurde die Kooperationsvereinbarung zwischen uns geschlossen. Im Jahr 2017-18 waren sogleich auch drei Freiwillige aus Ruanda in Halle und es werden ab September 2018 auch wieder drei Freiwillige aus Ruanda in Halle ihren Weltwärts-Dienst starten. Zeitgleich wird dieses Jahr der erste deutsche Freiwillige beim RYCPO seinen Dienst antreten.


Der Manager vom RYCPO hatte auch keine ganz leichte Anreise. Von Kigali (Ruanda) über Entebbe (Uganda) über Istanbul sollte ihn seine Reise am 8.9.2018 nach Berlin bringen. Da er seinen Anschlußflug in Istanbul aufgrund von Verspätung verpasst, wartete unser Freiwilliger Mark erst einmal vergeblich am Samstagnachmittag auf Ladislas in Berlin Tegel. Doch gegen 19 Uhr am Samstagabend erreichte uns per Whatsapp die Info, dass Ladislas endlich in Tegel angekommen war und Mark begleitete ihn noch in sein Hotel in Berlin, wo er sich erstmal von der Reise erholen konnte, denn am Sonntag sollte das aufregende, und vollgepackte Programm in Berlin starten. Wohlgemerkt war Ladislas das erste Mal in Deutschland, gar das erste Mal in Europa.

Am Sonntag lernten sich Marks Familie und Ladislas in Berlin kennen. Marks Mutter hatte noch viele Fragen rund um die Lebensbedingungen in Ruanda und auch Mark war sehr gespannt, seinen zukünftigen Vorgesetzten näher kennenzulernen. Am Nachmittag ging es für Ladislas weiter mit dem Bus nach Halle, wo unsere aktuelle FSJlerin Nathalie ihn in Empfang nahm. Doch die beiden sollten nicht lange alleine bleiben: es gesellten sich die drei Freiwilligen aus Ruanda sowie unsere Friedenskreis-Mitarbeiterin Franziska Ilse-Shams für den Stadtrundgang zu der Gruppe. Suzanna, Amina und Florence standen damals kurz vor Abschluss ihren Freiwilligendienstes und hatten so die Möglichkeit einem Vertreter ihre Entsendeorganisation ihr Leben in Deutschland hautnah zu präsentieren.
Gemeinsam besuchten wir die Marktkirche in Halle, statteten den Frankeschen Stiftungen einen Besuch ab und entdeckten die Martin-Luther-Universität, wo wir das Denkmal Anton-Wilhelm-Amos besuchten, dem ersten bekannten Philosophen und Rechtswissenschaftler afrikanischer Herkunft in Europa. Wir unterhielten uns über das Alltagsleben in Deutschland und in Ruanda, beobachteten beim Spazierengehen Gemeinsamkeiten aber auch Unterschiede zwischen dem deutschen und dem ruandischen Lebensstil. Ladislas war besonders an den Alltagserfahrungen der drei Freiwilligen aus Ruanda interessiert, wie war es ihnen in den letzten Monaten ergangen, wie haben sich während des langen deutsche Winters gefühlt und was waren ihre Lieblingsorte in Halle. Und natürlich ging es auch um die Frage, wie man sich als Mensch afrikanischer Herkunft in einer mittelgroßen Stadt in Ostdeutschland fühlt. Auch wenn sich die Nachrichten von den letzten rassistischen Übergriffen in Chemnitz und anderswo natürlich nicht in dem Umfang bis nach Ruanda verbreitet haben. Aber die Problematik um Rassismus und Diskriminierung von Menschen, die anders aussehen als die Mehrheitsgesellschaft, ist bei unserem ruandischen Partner wohl bekannt und wird mit Sorge betrachtet.  
Einen der Lieblingsorte der ruandischen Freiwilligen haben wir dann auch gleich zum gemeinsamen Abendessen aufgesucht. Den Freiwilligen aus Ruanda gefiel tatsächlich das Restaurant „Wenzel Prager Stuben“ in Halle besonders gut. An dem Abendessen nahmen noch weitere Mitarbeiter*innen des Friedenskreis Halles teil.

Am Montag sollte Ladislas zwei Einsatzstellen der ruandischen Freiwilligen kennenlernen. Zuerst besuchten wir die Wohngruppe „Sixpack“ vom Kinderheim Clara Zetkin. Dort wird ab Herbst 2018 ein*e Freiwillige aus Ruanda einen Freiwilligendienst leisten. Wir sprachen über das Konzept der Wohngruppe, Erwartungen und Anforderungen an die Freiwilligen, aber auch über Wünsche der Freiwillige bezüglich ihrer Zeit als Freiwillige in Deutschland. Im Gespräch wurde allen nochmal deutlich wie verschieden, deutsche und ruandische Familien ticken und dass wir deshalb die Freiwilligen besonders gut auf ihre neue Lebenssituation und ihre Tätigkeit vorbereiten müssen. Ladislas stellte wiederum die Arbeit von RYCPO vor und es wurde mehrmals deutlich, wie wichtig und sinnstiftend doch auch der direkte Austausch zwischen den Ansprechpersonen der Entsendeorganisation im Ausland und den konkreten Ansprechpersonen in den Einsatzplätzen der Freiwilligen in Halle ist, um die Qualität unseres Freiwilligendiensts zu gewährleisten.
 
Mittags hatten wir die seltene Gelegenheit, dass sich pausierende und zukünftige Mitarbeitende des Friedenskreis Halle e.V., die in Zukunft mit dem ruandischen Partner zusammen arbeiten werden, live kennenlernen konnten. Auch wenn nicht viel Zeit zum Austausch war in einer halben Stunde Mittagspause, so hatte man sich wenigstens schon mal persönlich kennengelernt und bei zukünftigen Skype-Gespräche wird der Austausch hoffentlich weniger fremd sein.

Am Montagnachmittag besuchte Ladislas mit der Kollegin aus dem Bereich Aufnahme der Friedensdienste noch das Bürgerhaus „AlternativE“ des humanistischen Regionalverbands. Schon der Weg mit der Straßenbahn dorthin war für ihn etwas ganz besonderes, da es sowas in seiner Heimat nicht gibt. Am Bürgerhaus angekommen wurden sie von Herrn Schwarze, dem zukünftigen Ansprechpartner des Freiwilligen in Empfang genommen. Es wurde sich über die Arbeit des Bürgerhauses und die Aufgaben des Freiwilligen in seiner Einsatzstelle ausgetauscht. Auch hier wurde wieder sehr deutlich, dass eine Integration in das Team und in den Alltag allgmein für beide Partein sehr wichtig ist und einen großen Bestandteil des Austausches darstellt. Bei einem Rundgang im Haus, zeigte man die verschiedensten Räume, sei es der Musikraum mit über 200 Instrumenten oder das Spielzimmer in dem auch regelmäßige Tanzkurse gehalten werden. Auch der Außenbereich bietet viele Möglichkeiten für groß und klein. Dabei wurde betont, dass sich der Freiwillge in vielen Bereichen mit einbringen kann und dies sehr erwünscht sei.
Auch hier wurde das Interesse über die jeweilig andere Kultur auf beiden Seiten deutlich, sowie die Unterschiede im ganz alltäglichen Leben. So wurde über grundlegende Alltagssituationen, aber auch über die Politik und Rechtslage in beiden Ländern diskutiert.

Um 16.30 Uhr ging es dann für Ladislas zurück nach Berlin, wo am selben Tag die Süd-Nord-Konferenz des Weltwärts-Programms des BMZ startete. Zeitgleich reisten unsere Partner aus Jajce und Brcko nach Berlin an. Sie besuchten uns dieses Mal nicht in Halle, da sie erst im Mai 2018 zu Besuch waren.

Nach Ende der Süd-Nord-Konferenz sollten wir am Freitag dann aber alle in Berlin aufeinandertreffen. Aus Halle reisten Franziska Ilse-Shams sowie die drei Freiwilligen aus Ruanda an, die nachmittags am Afrika-Forum, zu dem Bundesentwicklungsminister alle Partner aus Afrika des Weltwärts-Programms geladen hatte, teilnehmen sollten.
Doch zunächst ging es in den deutschen Bundestag, wo unser Freiwilliger eine Gesprächsrunde mit Ulrich Lechte (MdB FDP)   zum Thema Entwicklungszusammenarbeit organisiert hatte. Im Anschluss besuchten wir das Mahnmal der ermordeten Juden Europas in Berlin und tauschten uns über die Erinnerungs- und Gedenkkultur in Deutschland, Bosnien-Herzegowina und Ruanda aus. Während es dann für die ruandischen Partner zum Afrika-Forum ins BMZ ging, führten wir gemeinsam mit den Vertretern der bosnischen Partnerorganisationen die Stadtführung durch Berlin fort. Neben der Erkundung der wichtigsten Sehenswürdigkeiten besprachen wir wichtige Themen wie Mentoring der Freiwilligen, pädagogische Begleitung insbesondere die Vorbereitungsseminare als auch die Arbeit mit den Rückkehrer*innen. Die bosnischen Partner berichteten von ihren Schwierigkeiten, dass immer mal entsendende Freiwillige nicht nach Bosnien-Herzegowina zurückkehrten, weil sie in Deutschland einen Ausbildungsplatz o.ä. Bekommen haben. Das macht ihnen die Arbeit schwer, da sie sich ausdrücklich wünschen und sich dafür einsetzen, die entsandten Freiwilligen nach ihrem Friedensdienst ihr erlerntes Wissen zurück ins Heimatland bringen. Lange besprachen wir diese Thematik und wie wir damit umgehen wollen.
Am Abend gesellte sich eine frisch zurückgekehrte Freiwillige zu uns, die erst vor drei Wochen ihren Friedensdienst in Brcko beendet hat. Sie freute sich sehr, ihren Sprachlehrer und Mentor wiederzusehen und berichtete von ihren Herausforderungen aber auch Freuden, sich wieder in Deutschland einzuleben. Zeitgleich besuchte unser ruandischer Partner den Shabbat-Abend in einer Synagoge in Berlin, zu dem ihn sein zukünftiger Freiwilliger Mark eingeladen hatte.

Am Samstag, den 15. September stand dann die große Jubiläumsfeier des Weltwärts-Programms im Berliner Congress Center am Alexanderplatz nun endlich auf dem Programm. Mit etwa 1000 Teilnehmenden aus aller Welt sollte der Erfolg des entwicklungspolitischen Freiwilligendienstes gefeiert werden, an dem der Friedenkreis Halle e.V. bereits seit Beginn mitwirkt.
Doch am Vormittag diskutierten wir erst noch kritisch mit Vertretern des BMZ, der Qualitätsverbünde und Vertretern der Freiwilligen- Vertretung PFIF sowie Entsende- und Aufnahmeorganisationen, wie es mit Weltwärts in den kommenden 10 Jahren weitergehen soll. Die Interessensverbünde evangelisches Forum entwicklungspolitischer Freiwilligendienst (eFeF) sieht vor allem Nachbesserungsbedarf in drei Bereichen:

1) Süd-Nord-Austausch: Der Gleichwertigkeit beider Programmkomponenten stehen seit der Einführung von Süd-Nord im Jahr 2013 vor allem administrative und Probleme mit Visagenehmigungen im Weg (ca. 3500 Entsendungen gegen etwa 600 Aufnahmen pro Jahr). Das muss sich endlich ändern. Wie kann erreicht werden, dass die (politischen) Weichen für einen Aufwuchs gestellt werden?
2) Rückkehrenden-Arbeit: Wie können Förderinstrumente sowohl in Deutschland, als auch im Globalen Süden so gestaltet werden, dass Rückkehrende in ihrem Engagement unterstützt werden?
3) Eigenverantwortung der zivilgesellschaftlichen Organisationen: Die deutschen zivilgesellschaftlichen Interessensverbünde beobachten in den letzten Jahren mit Sorge zunehmende Eingriffe des BMZ in die Verantwortungsbereiche der Träger und Partner. Außerdem verabschieden sich deutsche Organisationen aufgrund von hohen Anforderungen im Bereich der Verwaltung und der Qualität, mangelnder Möglichkeiten Eigenmitteln einzubringen sowie rückläufiger Bewerbungszahlen aus dem Programm. Wie werden die Entwicklungen bewertet? Was sind Lösungsansätze?  

Nachmittags folgte dann das Festprogramm mit dem Festakt und der Laudatio und Videobotschaft des Bundesministers Gerd Müller. Besonders schön fanden es alle Vertreter der Partnerorganisationen, dass mehr als 500 ehemalige Freiwillige an dem Event teilnahmen. Am Sonntag ging es dann zuerst für Ladislas über Istanbul nach Kigali zurück und am Montag flogen dann auch die bosnischen Partner zurück in ihre Heimat. Wir bedanken uns ganz herzlich für ihren Besuch und freuen uns auf ein baldiges Wiedersehen, vielleicht dann mal wieder auf dem afrikanischen Kontinent.