Einen Monat Krieg in meinem Heimatland – Ukraine …

Ich kann immer noch nicht glauben, dass so etwas passieren konnte, aber jetzt ist es die Realität. Wir leben im Krieg.

Ich bin ein Jugendbetreuer in Kharkiv, meiner Heimatstadt. Außerdem bin ich ein russisch sprechender Ukrainer und ein Patriot meines Landes. Alle Projekte, an denen ich arbeite, sind mit aktiver Bürgerbeteiligung, demokratischer Entwicklung und dem Eintreten für europäische Werte verbunden. Ich wollte die Ukraine immer als ein Land sehen, das kulturell und wirtschaftlich frei und offen ist und das Vielfältigkeit in allen seinen Formen feiert.

Aber an einem Morgen wurde ich um 6:30 Uhr von den Schreien meiner Familie und den Explosionen von Bomben aus dem Schlaf gerissen.

Am 24 Februar 2022 hat Russland die Ukraine angegriffen. Vladimir Putin und seine Anhänger sagen, es ginge um die NATO, darum, die Donbasregion vor „Nazis, Radikalen und drogenabhängigen Politikern” zu schützen und die Sicherheit des russischen Staates zu gewährleisten. Aber das ist nur Propaganda. Das eigentliche Ziel ist in meinen Augen sehr einfach: es geht, um den Überfall eines souveränen Landes und dessen Territorien in Russland einzugliedern.


Warum ich das glaube?

Weil wir das bereits in von Russland besetzten Gemeinschaften wie Kherson, Melitopol, Berdiansk, Svatove und Vovchansk erkennen können. Die russischen Truppen dort hissen die russische Flagge auf öffentlichen Gebäuden, verbieten das Unterrichten der ukrainischen Sprache und bestehen auf der Nutzung der russischen – der „wahren Sprache dieses Landes”. Es gibt Pläne, die Währung dort von der ukrainischen Hryvnia qauf den Rubel umzustellen. Auch hat es Putin in seiner TV-Ansprache a, 22 Februar deutlich gesagt. Die Ukraine sei ein „gescheiterter Staat. Es gäbe „keine souveräne ukrainische Nation” und die Ukraine sei „1922 von Lenin erfunden wurden, als die Sowjetunion gegründet wurde”.

Trotzdem hat dieser Krieg Zerstörung und Gewalt in unser Zuhause getragen. Ich werde den Moment nie vergessen, in dem ich zum ersten Mal hörte, wie ein Kampfflieger über mein Haus hinweg flog; wie die Wände und das Dach begannen, so heftig zu zittern, dass ich dachte, meine Leben wäre vorbei. Meine Mutter bekam eine Panikattacke, aber niemand von uns wusste, was wir tun könnten. Die Bomben trafen das Stadtzentrum und die Außenbezirke Kharkivs, der zweitgrößten Stadt der Ukraine. Ich kann den roten mitternächtlichen Himmel noch immer vor meinem inneren Auge sehen, so groß war die Explosion. Die russische Armee beschießt uns mit Artillerie. Wir hören es jeden Tag. Sie haben bereits große Teile der zivilen Infrastruktur zerstört. Schulen, Krankenhäuser, Wohnhäuser. Beispielsweise das Gebäude der Faculty of Economy of V.N. Karazin Kharkiv National University und Karazin Buisness School, der letzte Ort, an dem ich einen Abschluss machte. Kharkiv ist nur 40 Kilometer von der russischen Grenze entfernt, weshalb die Armee problemlos Raketen einsetzen kann. Fast 1000 Gebäude sind schwer beschädigt und 300 unschuldige Zivilisten sind tot. Und das nur in Kharkiv.

Fast alle meine Verwandten und Freunde haben die Stadt in Richtung Westukraine verlassen oder sind ins Ausland geflohen, um Frieden zu finden. In diesem Moment fliehen 3,5 Millionen Menschen ins Ausland und 6,5 Millionen befinden sich im Land auf der Flucht. Das bedeutet, ein Viertel unserer Bevölkerung ist auf der Flucht. Und es werden mehr werden, denn es gibt in der Ukraine keinen sicheren Ort mehr. Russland hat bereits Lviv, Ivano-Frankivsk, Lutsk und andere Orte in der Westukraine angegriffen. Überall sterben Menschen. Wir haben tausende Tote und Verletzte Zivilisten.

Am schlimmsten ist die Situation aber in Mariupol, der größten Stadt in Oblast Donetsk, welche vollständig von russischen Soldaten eingekesselt wurde. Der Bürgermeister Vadym Boychenko hat von bereits über 3000 Toten berichtet. Gründe sind unter anderem das stetige Bombardement und die wachsende humanitäre Krise. Es gibt weder genügend Nahrungsmittel noch Medizin. Überlebende, die dem Kessel entkommen konnten, haben erzählt, dass Menschen Vögel (wie Tauben und Krähen) fangen und draußen über offenem Feuer braten. Es gibt keine Elektrizität, kein Gas, kein Trinkwasser und mobile Telefonnetz ist zusammengebrochen. Freund*innen von mir, die aus Mariupol kommen, haben mir diese Informationen bestätigt.

Ironischer Weise ist ein Großteil der Toten in Mariupol und Kharkiv Teil jener russisch sprechenden Gruppe, die Russland und Vladimir Putin angeblich von und vor den „Faschisten in Kyiv befreien und beschützen” wollen.

Außerdem gibt es grausame Berichte aus den Gebieten, die Russland gerade besetzt. Das Plündern von Geschäften und Wohnungen Morde und Vergewaltigungen. Das Verhaften und Foltern von Aktivist*innen und Politiker*innen durch russische Soldaten. Sie tun dies, um den Widerstand der lokalen Bevölkerung zu schwächen und nutzen die Chance um „ein bisschen Spaß zu haben”. Das ist was der Krieg uns bringt. Es gibt viele solcher Berichte und mit jedem Tag werden es mehr. Selbst jetzt bleibt das wahre Ausmaß noch vor uns verborgen.

Ukrainer*innen kämpfen und sterben jeden Tag. Aber wir glauben noch immer, dass wir gewinnen und unser Land von Putins „Russischer Welt” beschützen können. In dieser sieht er Russland, die Ukraine und Belarus als eine Nation, eine politische Einheit, in der Autorität, Unterdrückung, staatlich kontrollierte Medien, Korruption und Loyalität gegenüber einem Führer alles sind. Die Ukraine möchte das nicht, wir sehen uns als Europäer und heißen die Werte einer offenen Gesellschaft willkommen. Wir möchten unser Land frei und unabhängig sehen. Das ist wofür wir kämpfen und sterben.

Ich schreibe diesen Bericht am 24. März. Ich hoffe dieser Albtraum wird bald vorbei sein. Aber egal was passiert, ich weiß unsere Leben werden nie wieder so sein, wie vor dem 24. Februar. Wir werden unsere Traumata heilen, unsere Gemeinschaften und Wirtschaft wieder aufbauen und unsere Umwelt heilen müssen. Aber ich möchte euch sagen, dass wir das schaffen, den es geht hier um unser Land, um unsere Heimat. Um unsere Ukraine.

Das ist, was ich gesehen habe, was meine Familie, Freund*innen, Kolleg*innen und ich jetzt verstanden haben. Wir hoffen und beten. Frieden wird kommen und das Licht die Dunkelheit erhellen.

P.S.: Vergesst nicht, euch freiwillig zu melden und Flüchtlingen aus der Ukraine zu helfen, wann immer ihr könnt. Jede Art von Hilfe ist notwendig damit Demokratie den Sieg davontragen kann.

By Taras Syvukha

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