Positionspapier  der Arbeitsgruppe Zivile Konfliktbearbeitung im Inland

Demokratie braucht den konstruktiven Umgang mit Konflikten


Demokratie bedeutet, sich widersprechende Sichtweise und Interessen wahrzunehmen, Konflikte anzuerkennen und Zusammenleben durch Aushandlung gemeinsam zu gestalten. Grundmodus der Demokratie ist der konstruktive Streit, der nicht abwertet, ignoriert und ausgrenzt, sondern andere ernst nimmt und auf dieser Basis nach Lösungen sucht. Wir verstehen Konflikt als Chance und als Motor für inklusive Entwicklung und demokratisches Miteinander, gerade auch in Zeiten wachsender Heterogenität.  

Viele gesellschaftliche Konflikte werden durch bestehende Strukturen bereits bearbeitet. Durch neue Herausforderungen entstehen jedoch immer wieder neue Fragen, vor allem an den Schnittstellen von Zuständigkeiten und in Bezug auf die bislang eingesetzten Instrumente.


Die Welt durchläuft einen rapiden Wandel und mit ihr unsere Gesellschaft. Globalisierung, Urbanisierung, Migration, Klima- und demographischer Wandel führen zu grundlegenden Veränderungen, die sich in strukturellen Herausforderungen und sich ändernden Lebenswelten der Menschen niederschlagen. Die Grundlagen des Zusammenlebens verschieben sich. Das Verständnis von Leben und Arbeiten, Zugehörigkeit und Teilhabe von Menschen mit vielfältigen Lebensentwürfen und Selbstverständnissen wird heterogener. Spezifische Interessen und Perspektiven, Sorgen und Bedürfnisse aber auch Erwartungen und Hoffnungen stehen mitunter gegeneinander und widersprechen sich.

Dadurch entstehen vielfältige Konflikte. Deren Austragung ist nicht nur unvermeidbar, sie ist unverzichtbar, denn die offene und konstruktive Austragung von Konflikten ist Ausgangspunkt eines demokratischen Miteinanders.

Wir beobachten jedoch in den letzten Jahren, dass Auseinandersetzungen um unser Zusammenleben oft auf destruktive Weise zugespitzt werden, im Kleinen wie im Großen.

Manche Menschen entziehen sich dem Gespräch und suchen die Ursache für Probleme in bestimmten Gruppen oder Sektoren der Gesellschaft. Ausgrenzung und Ablehnung der „Anderen“ ist die Folge. All dies geschieht auf der Ebene des täglichen Miteinanders, in Vereinen, Vierteln, Städten und Dörfern, in den Medien, Schulen und Politik. Besonders besorgniserregend ist, dass die Hemmschwelle, Gewalt anzuwenden, sinkt. Morde wie in Halle, Hanau und Kassel sind hier die Spitze eines Eisbergs. Die Zahlen zur Zunahme besonders rechtsextremer Gewalt, fremdenfeindlicher, antisemitischer und antiislamischer Übergriffe sind deutliche Mahnung.

Hierauf reagieren Ansätze der Zivilen Konfliktbearbeitung, die seit Jahren in Deutschland modellhaft weiterentwickelt und professionell angewendet werden. Zivile Konfliktbearbeitung verankert langfristig den gewaltfreien, konstruktiven Umgang mit Konflikten in den gesellschaftlichen Strukturen und unterstützt auf verschiedenen Ebenen Personen und Institutionen dabei, Wandel nachhaltig und inklusiv zu gestalten.
Zivile Konfliktbearbeitung hat einen ganzheitlichen, systemischen Blick und nimmt die betroffenen Personen, die Strukturen und kulturellen Hintergründe in den Blick.

Zahlreiche Ansätze und Instrumente reagieren auf die derzeitigen Bedarfe:

  • Durch Konfliktberatung und konfliktsensible Gemeinwesenarbeit, Stadtteildialoge und Gemeinwesenmediation werden bereits in vielen Städten lokale Konflikte konstruktiv bearbeitet. Runde Tische, Gewalt verhindernde Straßensozialarbeit, interreligiöse und inter-kulturelle Begegnungen, Ansätze des Community Organizing, Streitschlichtungsprogramme an Schulen, städteplanerische Maßnahmen und vieles mehr werden eingesetzt, um Gewalt zu verhindern und Bedingungen zu schaffen, dass Konflikte konstruktiv ausgetragen werden.
  • Durch Weiterbildung für Angehörige der Sozialarbeit, der Verwaltung und der Polizei etc. wird die Kompetenz entsprechender Berufsgruppen gestärkt und der konstruktive Umgang mit Konflikten verankert.
  • Durch vielfältige Bildungsangebote, beispielsweise für Jugendliche, Geflüchtete und Migrant*innen und andere, werden die persönlichen Fähigkeiten zum konstruktiven Umgang mit Konflikten gefördert und Dialogbarrieren abgebaut. So werden Menschen ermutigt, sich konstruktiv in gesellschaftliche Konflikte einzubringen. Letztlich wird auf diese Weise die Teilhabe an der Gesellschaft gestärkt.

Initiativen und Organisationen im Bereich der Zivilen Konfliktbearbeitung leisten einen zentralen Beitrag zur Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft. Es bestehen Schnittmengen zu anderen Aktivitäten wie Beratung gegen Rechtsextremismus, Jugendarbeit, Gemeinwesenarbeit, Gewaltpräventionsarbeit, Mediation etc.. Zivile Konfliktbearbeitung bringt hier spezifische Erfahrungen, Methoden und Sichtweisen ein, und ist geeignet, Synergien zu anderen Arbeitsbereichen zu schaffen und konstruktiv einzubeziehen. Hierdurch entstehen neue Möglichkeiten und Optionen.


Um Zivile Konfliktbearbeitung als Möglichkeit der aktiven Gesellschaftsgestaltung und Demokratieförderung zu nutzen, bedarf es:

  • der Aufnahme als Handlungsfeld und konzeptionellen Ansatz in bestehende entsprechende Leitlinien und Förderrichtlinien, wie insbesondere das Programm „Demokratie Leben!“, Gewaltpräventionsprogrammen, Unterstützung von Gemeinwesenarbeit, oder auch in das in Diskussion befindliche Demokratiefördergesetz;
  • den Ausbau bundesweiter Strukturen der Vernetzung von Akteuren für fachlichen Austausch und konzeptionelle Weiterentwicklung;
  • Initiativen zur stärkeren Präsenz der Ansätze und Erfolge der Konfliktbearbeitung in der Öffentlichkeit durch aktive Medien- und Öffentlichkeitsarbeit.



Stand 24.6.2020
Dieses Positionspapier wurde erarbeitet von der Arbeitsgruppe Zivile Konfliktbearbeitung im Inland der Plattform Zivile Konfliktbearbeitung.     

Die Plattform Zivile Konfliktbearbeitung ist das größte deutsche Netzwerk, das sich arbeitsfeldübergreifend die Förderung der zivilen Konfliktbearbeitung zum Ziel gesetzt hat.
Die Plattform "zielt darauf ab, die in diesem Netzwerk Beteiligten bei ihrer Gewalt mindernden Arbeit zu unterstützen, miteinander zu verbinden und in ihrer Arbeit vor Ort effektiver zu machen". (Auszug aus der Charta)

Geschäftsstelle der Plattform Zivile Konfliktbearbeitung:
Landgrafenstr. 15, 10787 Berlin, Tel.: 030 / 4000 65 118, Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, www.konfliktbearbeitung.net

www.konfliktbearbeitung.net

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