Drei unglaubliche Monate in Jajce - Simon

Moin Moin,

Ich bin Nord-Deutscher, wir sind dafür berühmt uns kurz zufassen und immer alles mit „war nicht schlecht“ zu beurteilen. Das trifft diesmal bei mir nicht zu, denn die letzten drei Monate waren nicht nur „nicht schlecht“, sondern unglaublich. Unglaublich in vielen Aspekten. Unglaublich anstrengend; unglaublich aufregend aber vor allem unglaublich gut.

09.09.2019

Es fing an mit der längsten Reise die ich bis dato unternommen habe. Von Hamburg nach München und von München nach Zagreb (Kroatien) mit dem Nachtzug. Eine durchaus witzige Fahrt. Ich durfte mein Abteil mit sehr gesprächigen und lustigen Holländern teilen und so ging die Zeit viel schneller vorbei, als eigentlich gedacht. Schon nach gefühlten fünf Stunden (in Wirklichkeit 16 Stunden), stand ich am Bahnhof von Zagreb und machte mich auf den Weg die Stadt zu erkunden, da mein Bus nach Jajce (Bosnien) erst in einigen Stunden ging. Während des Schlenderns durch die Stadt habe ich mich das erste Mal mit meinen Gefühlen beschäftigt.

Das primärste Gefühl war Trauer; Trauer meine Familie und meine Freunde in nächster Zeit nicht zu sehen und mich kaum an ihrem Leben beteiligen zu können; all die Feiertage die ich nicht mit ihnen verbringen kann und dass ich etwas verpasse. Aufzuwachen ohne dass meine Eltern da sind, mir nicht helfen können, nicht nach meinem Tag fragen oder mich aufmuntern. Die schrecklichsten Gedanken kamen mir, was ist, wenn ich meine Familie nie wiedersehen werde und das der letzte Abschied war; Hätte ich ihnen meine Liebe mehr zeigen sollen? Wissen sie das ich sie vermisse?

So hing ich in meinen Gedanken, während der Busfahrt nach Jajce. Erst als ich die Stadt Jajce erblickte änderte sich meine Stimmung, die Aufregung stieg wieder und die Freude, in ein neues Kapitel meines Lebens einzutreten, erfüllte meinen Körper. Ich stieg aus dem Bus und wurde freudig von dem damaligen Freiwilligen in Empfang genommen. Auf dem Weg zum Apartment zeigte er mir bereits die ersten Sehenswürdigkeiten, den eindrucksvollen Wasserfall und die Altstadt. Ich wurde überrumpelt mit Informationen und Fakten. Trotz der gut 24-stundigen Fahrt versuchte ich alles aufzunehmen. Ich genoss es durch die Stadt mit ihm zu ziehen bis wir beim Apartment waren. Vor lauter Erschöpfung fiel ich in mein Bett. Obwohl es die erste Nacht in einem mir unbekannten Land war schlief ich so ruhig wie Zuhause.

Für den Freiwilligen war es die letzte Woche. Trotzdem nahm er sich die Zeit und zeigte mir alles und gab mir die ersten Tipps. Wegen ihm hatte ich ein sicheres und selbstbewusstes Gefühl, keinerlei Unsicherheit oder Sonstiges. Ich wusste hier möchte ich für ein Jahr bleiben.

Jajce ist eine kleine Stadt, im Zentrum von Bosnien mit ca. 27.000 Einwohnern und mit unglaublich vielen Historischen und Kulturellen Aspekten, auf die die Menschen, die in Jajce wohnen, sehr stolz sind. Um zwei Beispiele zu nennen; in Jajce hat der letzte König von Bosnien regiert und Jajce ist der Gründungsort für die Sozialistische Föderativen Republik Jugoslawien. Demnach gab es in der ersten Woche viel zum Schauen und Erkunden. Ein Erlebnis welches mir besonders in Erinnerung geblieben ist, war der Kurzausflug zu den Pliva-Seen mit dem damaligen Freiwilligen. Dazu sei gesagt es war Mitte September und an diesem Tag waren es ca. 16 Grad. Als wir am See ankamen waren nur zwei Fischer dort und angelten. Wir entschieden uns trotzdem zu baden und stiegen in das eiskalte Wasser (habe recherchiert: und das Wasser soll um die 4 Grad gehabt haben). Wir schwammen durch die Gegend und entschieden uns dann unter einen der Wasserfälle zu steigen. Lange hielten wir es aber nicht aus, da wir froren. Als wir das Wasser verließen sprach uns einer der Angler an, ob wir was zum Aufwärmen haben wollen. Er gab uns einen Flachmann mit Rakija und wir tranken ihn gemeinsam aus.

Eine hervorragende Überleitung zum nächsten Thema.

Die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft in Jajce ist unglaublich Herzerwärmend, man wird von jedem auf der Straße gegrüßt, der Friseur schenkt dir kostenlosen Rakija ein, die Kollegen geben dir Essen mit nach Hause und man wird von fremden Menschen auf der Straße gefragt ob sie helfen können. Im Vergleich zum eher „kaltem“ Nord-Deutschland, ist das ein völlig neues Erlebnis für mich, welches ich zu schätzen gelernt habe und auch nicht mehr drauf verzichten will.

Ich wurde sehr gut im Büro aufgenommen und langsam eingearbeitet. Ich durfte in jeden Bereich der Organisation mal reinschnuppern und arbeiten. Auch meine Wünsche wurden berücksichtigt, sodass ich nach den ersten Wochen als Trainer und als Spieler beim lokalen Basketballteam angefangen habe. Während den letzten vier Monaten arbeitete ich im Büro um internationale Projekte zu begleiten und meiner Chefin (internationale Koordinatorin) zu assistieren. Am Nachmittag ging es dann in die Sporthalle als Basketballtrainer und am Abend zu den Abendprogrammen, wo ich als Deutschlehrer und Leiter von kleineren Kursen gearbeitet habe.

Durch meinen Basketballverein und durch meinen Mentor habe ich auch schnell neue Freunde kennengelernt, was sich einfacher rausgestellt hat, als ich vor dem Jahr noch gedacht habe. Ich habe die letzten vier Monate größtenteils alleine im Apartment gelebt und mir ist es dadurch umso klarer geworden, wie wichtig Freunde sind, mit denen man sich Angesicht zu Angesicht austauschen kann. Ohne meine Freunde wäre ich die meiste Zeit einfach im Haus geblieben. So allerdings geht es jeden Tag ins Café um etwas zu trinken oder am Wochenende in das nächste Dorf um es zu erkundigen.

Alles hat seine Vor und Nachteile und so sehe ich das auch mit diesem Freiwilligen Sozialen Jahr, ich hatte mir die Ziele gesetzt, durch das Land zu reisen und alle großen Städte zu besichtigen sowie eine Wandertour zu machen. Doch die Wahrheit ist ich habe bis jetzt noch keine andere große Stadt besichtigt und nicht einmal ansatzweise eine Wandertour unternommen, ich bin vielmehr in das kulturelle und familiäre Leben hier eingetaucht, habe viel Zeit mit Freunden verbracht und deren Traditionen und Bräuche kennengelernt. Dies ist ebenso eine Erfahrung die ich noch nie gemacht habe, trotzdem möchte ich mich in der nächsten Zeit auch mehr darauf konzentrieren durch das Land zu reisen (als Neujahrs-Vorsatz). Ein weiteres Ziel war die Sprache zu erlernen, was allerdings eher schleppend voran geht, um ehrlich zu sein wegen meiner Faulheit Vokabeln zu lernen.

Es gibt einfach schönere Aktivitäten in dieser Stadt 😊.

In Nord-Deutschland sagt man „Gegenwind formt den Charakter“ und das habe ich getan ich habe mich dazu entschlossen nicht mit dem Strom zu fließen und stattdessen ein Auslandsjahr in Bosnien zu absolvieren. Und diese vier Monate haben bereits meinen Charakter geprägt, meiner Meinung nach ins Positive.

09.01.2020

 

Ich habe eine unglaublich tolle Zeit hier und freue mich darauf was Bosnien mit mir in den nächsten 8 Monaten anstellt.

 

 

 

Auf unserer Instagramseite könnt ihr euch HIER ein Foto von Simons Freiwilligendienst anschauen.